Sonntag, 31. Oktober 2010

Wenn Wasserstoffperoxid zu tief in die Kopfhaut eindringt


Vom Rechtstrend in europäischen Parlamenten blieben leider auch die Niederlande nicht verschont. Im Gegenteil, es hat sie sozusagen mit voller Wucht erwischt. Traurigerweise.
Bei den Niderländischen Parlamentwahlen vom 9. Juli 2010 erhielt die rechtspopulistische Partij voor de Vrijheid (PVV) 15,5% der Stimmen und damit 24 Sitze. 



Zum Parteiprogramm der PVV gehört vor allem eine absolute Anti-Islam-Haltung, eine radikale Verschärfung der Einwanderungsbeschränkungen und Regelungen für hier lebende Migranten, Stärkung des niederländischen Patriotismus und des Militärs etc. etc.. Was man eben so propagiert, wenn man sich "Partei für die Freiheit" nennt. Der sarkastische Widerspruch ist schon im Namen enthalten - wunderbar.

Diese rechtgerichtete, oft auch als neo-rechtsradikal bezeichnete Partei ist nun also Drittstärkste im Land.
Ihr Vorsitzender Geert Wilders ist die Vorzeigeblondine schlechthin.
 

Nur blöd, wenn das Wasserstoffperoxid nicht nur die Haare, sondern auch die Hirnzellen auszubleichen scheint. Oder wie kann man sich sonst erklären, dass er von einer grundsätzlichen Unmenschlichkeit des Islams überzeugt ist? Oder wie erklärt man sich sonst folgenden Gesichtsausdruck:...?



Dieser geniale Rückschluss von H2O2-Missbrauch auf die Intelligenz Geert Wilders' stammt von einem Redner, der heute auf dem Museumplein bei einer Anti-PVV-Demonstration gesprochen hat. Auch ein paar von uns Catholic Workern waren vertreten, mit der symbolischen "Partij voor de GASTvrijheid" ( = Partei für die Gastfreundschaft). Nettes Wortspiel mit dem Namen der PVV, aus dem sich mit ein bisschen Nachbesserung doch noch etwas Gutes machen lässt ;)


 Catholic Worker & die Partij voor de Gastvrijheid 

 
 Seifenblasen für den Frieden


Der komplette Platz voll mit Menschen. Anlass war übrigens eine Pro-PVV-Demonstration von englischen Hooligans. Diese mussten ihre Demo jedoch nach außerhalb der Stadt verlegen - wenigstens das.


Gut zu sehen, dass es auch hier Menschen gibt, die für eine gute - und darüber hinaus in anbetracht der aktuellen politischen Situation schreiend notwendige - Sache auf die Straße gehen. 


Montag, 25. Oktober 2010

Unerklärliche Horrorszenen!!


Wer am Montag, 25. Oktober 2010 zwischen Baumarkt Gamma, den Metrostationen Sparklerweg & Venserpolder, oder rund um die Dantestraat in A'dam Zuidoost unterwegs war, konnte Unglaubliches beobachten.
Verwirrte Zeugen stammeln etwas von einem "jungen Mädchen" und "Sockelleisten". Manche können das Gesehene immer noch nicht begreifen. Ein älterer Herr berichtet:  "Ich  weiß nicht warum, aber sie hatte 12 riesengroße Sockelleisten bei sich, als sie aus dem Baumarkt "Gamma" kam. Alle paar Meter hielt sie an, weil diese einfach zu groß, und vor allem zu viele für 1 Person waren. Ich hab sie dann einfach ausgelacht, als sie an mir vorbeikämpfte. Geholfen schien ihr das aber nicht zu haben."
Ein  Glück, dass niemand zu Schaden kam, als das Mädchen mit diesen Unmengen an Baumaterial auch noch in die Metro stieg!
Wenn man daran denkt, dass sich diese Schreckensszenen direkt in unserer Mitte, hier in Amsterdam abgespielt haben, läuft es einem kalt den Rücken herunter. Was tat sie da nur? Was hat sie dazu gebracht? Alles was bleibt, sind diese Fragen und mehrere verstörte Amsterdamer, die diese Vorkommnisse jetzt erst einmal verarbeiten müssen.




So, Spaß beiseite. Aber so wie mich die Leute angestarrt haben, könnte man echt meinen ich steh morgen in der Zeitung. Noch nie n Mädel mit zu vielen Sockelleisten gesehen? Okay, ich geb zu, vielleicht war es nicht ganz so durchdacht, knapp 3m lange Sockelleisten für 2 große Räume auf einmal zu kaufen und damit auch noch Metro zu fahren. Aber man will ja Geld sparen.
Und schön zu sehen, dass einen die Menschen lieber auslachen (bzw. freundlich Mut zulächeln?) als mal kurz mitzuhelfen, während ich fast draufgeh ^^ Erst in Zuidoost hab ich dann  - gleich von mehreren Menschen - Hilfe angeboten bekommen. In dem Stadtteil, der von den anderen Amsterdamern als Ausländer- und "böse-Jungs"-Ghetto verschrien ist. Glückwunsch zur geistigen Beschränktheit.
Naja, jedenfalls weiß ich jetzt, dass ich über 30m Sockelleisten auf einmal tragen kann. Juhu. oO ;) 

Und wieder einmal hab ich gemerkt, dass mir die Arbeit hier so viel Spaß macht, dass ich es gar nicht als Arbeit empfinde. Am Samstag war ich mit Geeske (sie kommt 1x die Woche freiwillig, um im Haus zu helfen) und drei von den Kindern im Schwimmbad.

Dadurch konnte ich vor allem auch zu den Kindern eine bessere Beziehung aufbauen, was mich echt gefreut hat. Auch wenn es VERDAMMT anstrengend ist, 4 Stunden lang nach 3 kleinen Kindern zu schauen. Geeske und ich waren nacher komplett erledigt :D


Sonntag ging es dann ab nach Utrecht (ca. 25min von A'dam). Wieder mit den Kindern, Wibo & Maria (auch eine freiwillige Helferin). Wir schauten "Peter en zijn Wolf" an und wanderten danach noch ein bisschen durch Utrecht.

Fei Fei, Aisha, Onno, Rosa (aus Onnos Klasse), Jia Jia


 
Onno & Jai Jia


 
Königlicher Hofadel :)



 Im Konzertsaal

Die anderen sind dann nach Hause & ich bin noch etwas da geblieben, um mir das Stadtzentrum anzuschauen. Und eigentlich wollte ich mich noch mit Konstantin treffen (ASF-Freiwilliger aus Utrecht), hatte aber intelligenterweise keine Nummer bei mir, um ihn von diesem Vorhaben zu informieren ^^ Deswegen hab ich mir ein bisschen selber das Stadtzentrum angeschaut und bin dann auch nach Hause gefahren. Meiner Meinung nach sieht Utrecht aus wie Amsterdam, nur kleiner und verwinkelter. Mit mehr Kleinstadtflair. :)

Das einzige Foto von Utrecht, bevor mein Akku leer ging -.-


Abends war ich noch mit Maria im Kino, dann im Studentenwohnheim. Ein komplett vollgestopftes Wochenende also, so wie ichs gern hab ;)




Beim ADE mit Baskerville (NL)
Nebenbei ist noch zu erwähnen, dass zwischen Mittwoch und Sonntag das ADE (Amsterdam Dance Event) stattgefunden hat. Wer ein bisschen an elektronischer Musik interssiert ist weiß, dass es sich hierbei um eines der größten Clubfestivals weltweit handelt, mit internationalen musikalischen Größen dieser Richtung. Wer nicht hingegangen ist, hat definitiv was verpasst. (Nur um euch ein bisschen neidisch zu machen :P)                       





Soviel zu den letzten Tagen :)

Mittwoch, 13. Oktober 2010

Alltag? Bitte was??

Mein Alltag hier im JNH und in Amsterdam lässt sich schwierig beschreiben - schlichtweg deswegen, weil es hier keinen Alltag für mich gibt.
Ich habe wohl meine Standartaufgaben (im Shoppingmanagement werd ich immer besser :P), wie haushaltstechnische Dinge oder das wöchentliche Vergadering mit der kerngroep.
Aber generell gibt es hier fast täglich neue Aufgaben zu erledingen und neue Dinge zu entdecken und zu erleben.

Im Folgenden versuch ich dennoch mal einen Überblick zu verschaffen, was ich hier eigentlich so im Groben tue.
(Achtung, langer Blogeintrag  - wer kein Bock hat viel zu lesen, sollte jetzt damit aufhören ^^)



Meetings, meetings und nochmal meetings.  Ach ja, und meetings.

Vergadering
Jeden Dienstag, von 8.30 Uhr bis 11.30 Uhr ist Standart-Vergadering mit der kerngroep. Hier werden die wichtigsten (& vertraulichsten) Dinge des Hauses besprochen – Bewohner, Termine, Finanzen, Probleme, wer gehen muss, wer evtl. neu einzieht etc. etc.
Danach ist das Hirn meinst leicht zermatscht, auch weil ich noch viel Konzentration dafür aufwenden muss, die Sprache zu verstehen. Aber vor allem weil doch teilweise auch tiefgreifende Probleme zu lösen und einschneidende Entscheidungen zu treffen sind.


Catholic Worker Amsterdam

CW-Logo
Das JNH ist eines von unzähligen Häusern innerhalb der Catholic-Worker-Bewegung, die ursprünglich aus Amerika kommt. Diese Häuser wurden alle errichtet, um Bedürftigen zu helfen, wie in unserem Fall Flüchtlingen. Auch hier in Amsterdam gibt es ein CW-Netz, sodass es auch immer regen Kontakt von/nach außen gibt. Vergadering? – natürlich, hier wurde z.B. das CW-Amsterdam-Logo vorgestellt, über Fahrradtaschen und T-Shirts mit diesem Aufdruck und über die neue Regierung der Niederlande diskutiert.
(U.a. mit meiner Vor-Vor-Vorgängerin Sabrina, die mich jetzt auch bei ASF mit einem Förderbeitrag unterstützt – Danke nochmal an dieser Stelle :) )



Bezoekgroep

Sobald mein screening bei den Behörden durch ist, darf ich als Mitglied der bezoekgroep 1x alle 2 Wochen mit der Gruppe ins Abschiebegefängnis.
Und mit der bezoekgroep gibt es natürlich auch jede Menge Dinge, über die man vergaderen kann.

Ich bin echt neugierig aber ich hab auch n bisschen Angst vor dem, was mich dann erwartet. Vor allem weil ich nichts tun kann, außer alle 2 Wochen für eine halbe Stunde „da“ zu sein. Ich kann den Insassen sonst in keiner Weise helfen. Besuchen, nichts weiter. Dennoch halte ich die bezoekgroep für sehr wichtig, weswegen ich mich auch dazu entschieden habe, das zu machen. Von meinen Eindrücken davon wird garantiert noch zu lesen sein ^^




Nieuwsbrief
4 Mal im Jahr gibt es eine Art „Newsletter“ von unserem Haus.
 Natürlich nicht virtuell, sondern ganz real, DIN A5, schwarz-weiß, mit kleinen schwarz-weißen Bildern auf Umweltpapier. (Mattias und ich planen gerade eine Revolution. Wir werden sehen wie der nächste nieuwsbrief dann aussehen wird :P)
Wenn man dabei an die Dimension von knapp 2000 Empfängern denkt, kann man sich vllt. vorstellen wie viel Arbeit das macht. Bisher ist noch weniger das Versenden, als vielmehr das Schreiben der Artikel das Hauptproblem. Die Zeit ist sehr knapp bemessen und man sieht fast jeden Tag jemanden verzweifelt versuchen, sich nicht von „wichtigeren“ Dingen (spielende Kinder, wunderschöne sonnige Herbsttage, ohje-Kaffee-ist-leer, dringender Nikotinbedarf , singende Äthiopierinnen  etc.) ablenken zu lassen - Mission Impossible ^^


Lebensgemeinschaft
Ganz ehrlich - ich finde es wunderbar. Ich hab deswegen auch keine 24/7 - Arbeitswoche, ich habe genügend Freizeit und auch sehr viele Freiheiten.  Und darüber hinaus noch den Luxus, eine ganz andere Beziehung zu meinem Projekt aufbauen zu können. Sowohl mit den Flüchtlingen, als auch mit der kerngroep hat das alles hier eher eine familiäre Atmosphäre. Es ist doch erstaunlich und sehr schön, wie schnell sich gegenseitiges Vertrauen aufbauen kann. Von der Bereitschaft, abends gemeinsam Karten zu spielen und zu lachen, obwohl man doch so komplett unterschiedlich ist und sich nicht mal unterhalten kann, bis hin zum Erzählen seiner kompletten Lebensgeschichte.
Ich merke jeden Tag mehr, dass ich am richtigen Ort & im absolut richtigen Projekt bin. Und das bestärkt mich nur noch mehr, hier mein Bestes zu leisten in diesem Jahr.


Wochenende
Ja, 5 Tage arbeiten & 2 Tage frei, das lässt sich schlecht realisieren, wenn man quasi mit seiner Arbeit zusammenlebt ^^  Versuch mal, einem 2-jährigen Mädel zu erklären, dass du gerade keinen Bock hast, mit ihr zu spielen, oder einem Hausbewohner, dass du lieber erst übermorgen mit ihm oder ihr reden würdest. Ihr seht, unmöglich. Versteht sich aber schon von selbst aus dem Begriff "Lebensgemeinschaft" und war mir somit auch von vornherein klar. Und wie schon erwähnt, hab ich trotzdem viel Freizeit.
Zurück zum Thema Wochenende.
Wie es sich für eine Metropole so gehört, kommt hier das Nachtleben auch nicht zu kurz. Doch bisher läuft das bei mir noch ziemlich tourimäßig ab – was bedeutet, es ist teuer. Bis ich (und die anderen 8 Amsterdam-ASF-Freiwilligen) die Preisklasse „Stundent“  entdeckt haben, dauert es wohl noch n bisschen. Deswegen geben wir uns oft mit gemeinsamem Kochen im Studi-Wohnheim & anschließendem gemütlichem Betrinken, oder einer kleinen Bartour  zufrieden. Sehr zufrieden sogar :) Wenn man mal raus ist aus den komplett mit Touris überlaufenen Gegenden (wie z.B. dem Rembradtplein), werden die Kneipengänge doch heel erg gezellig und sehr „amsterdamerisch“ :)
A propos andere Freiwillige. Entgegen meiner anfänglichen Befürchtungen, wir würden uns aus den Augen verlieren, halten wir doch sehr guten Kontakt. Und weil wenn wir den Sinn unseres Auslandsaufenthalts nicht verfehlt sehen, wenn wir uns nicht jeden Abend die Seele aus dem Leib tanzen, gehen wir oft einfach Sonntags een copje koffie trinken.
Was so banal klingt, ist echt wichtig für mich. Zum einen, dass ich – trotz aller Liebe natürlich – auch mal was andere sehe, als das Haus hier, zum anderen ist es einfach wichtig, jemand Außenstehendes zum Reden zu haben. Danke (Ja, nochmal ein Danke ^^) vor allem an Eve (Projekt: Anne Frank Museum) und unsere Wochenendausflüge :)

Besuch von ASF-Freiwilligen aus Rotterdam - Yannick & Lukas mit Eve und mir :)



 
 Beim Kaffeetrinken - Amsterdam-Portmonnaie von Eve (r.) und mir (l.)


Achja, auch Flüchtlinge können feiern - was sich auch an meinem Höllenkater am nächsten Tag eindeutig nachweisen ließ  xD ^^


Sonstiges
Ansonsten helfe ich bei allem was so ansteht, wie Keller ausmisten, für Geburtstagfeiern backen, die Kinder beschäftigen und auf sie aufpassen usw. usw. ...


Meine Geburtstagskuchen für Xiao Hua :)                                 Gefüllte Paprika á la Caro :D
  

So, ich hoffe man kann sich jetzt so ungefähr vorstellen, was ich hier so in den letzten 3,5 Wochen getan habe/in Zukunft tun werde. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Auf Wiedersehen.




Sonntag, 10. Oktober 2010

Pause

Ja, ich schreibe gerade keine Blogposts mehr. Warum?
Weil alles, was mein Leben gerade beschäftigt, was meine Arbeit ausmacht und was erzählenswert wäre, das Leben der Menschen hier ist.
Da ich diese vertraulichen Dinge aber nicht ins Internet stellen (und damit die Privatspähre dieser Leute missachten) will, ist gerade Pause.

Für alle ASFer, Familie und engere Freunde sind Fotos auf Facebook anzuschauen. Wer daran sonst noch interessiert ist, kann mir kurz schreiben, ansonsten sind die Bilder "privat", aus oben genannten Gründen.

Natürlich gibt es auch andere Dinge zu erzählen, wie dass ich heute anstatt den Kühlschrank aufzumachen, die ganze Kühlschranktür rausgerissen habe :D ..aber im Moment dreht sich für mich alles vor allem um die Geschichten, Erlebnisse und Gefühle der Flüchtlinge hier.

Ein Update, über die anderen Dinge, die ich hier so tue, folgt in den nächsten Tagen ;)