Montag, 7. Februar 2011

Neue Teller

Die letzte Woche war in vieler Hinsicht eine sehr intensive Woche für mich mit vielen einzigartigen und einprägenden Erlebnissen und Erfahrungen. Die haben Kopf & Herz derartig eingenommen, dass ich das Wochenende in einer Art Wachkoma verbracht habe.
Zunächst ist zu erwähnen, dass ich neue Teller gekauft habe. Um zu verstehen, warum mich das so in Hochstimmung versetzt, muss ich wohl noch das "Drumherum" erklären. 
Für uns als Hausgemeinschaft ist wohl das allabendliche gemeinsame 6-Uhr-Abendessen einer der wichtigsten Bestandteile. Ein Moment des Tages in dem sich - im Idealfall - das ganze Haus zusammen am Tisch versammelt und gemeinsam zu Abend isst. Es kommen auch regelmäßig viele Menschen (Freunde, Freiwillige, Gäste der Bewohner) zu Besuch, die Mitessen. Und so ist es vor kurzem zum ersten Mal nach einer gefühlten Eeeeeewigkeit soweit gekommen, dass wir zu wenig Teller hatten. Grund? Unsere Hausgemeinschaft ist während des letzten Monats wieder gewachsen, und zwar um 3 neue Gesichter aus dem Sudan, Nordkorea und der Dominikanischen Republik! Ist doch eigentlich ganz normal in so einem Auffanghaus - Menschen gehen, neue ziehen ein.  Doch seitdem ich hier bin, sind nur Menschen ausgezogen, kamen ins Gefängnis oder verschwanden einfach spurlos. Zudem hatten wir dann viel zu lange zwei bis drei leere Zimmer, die mich mit jedem Tag mehr deprimierten.
Nun, mit den neuen Tellern habe ich ein handfestes Zeichen, dass es weitergeht, vorangeht. Das Haus ist voll und lebendiger, und das Gefühl, endlich wirklich wieder so vielen Menschen wie möglich Unterkunft zu bieten und zu helfen, ist unglaublich zufriedenstellend.

Detentiecentrum Rotterdam
Aber wie man sieht ist die Geschichte von den Hausbewohnern in Gefängnissen doch noch nicht zu Ende erzählt. Einen Monat, nachdem sie bei uns ausgezogen ist, wurde eine ehemalige Hausbewohnerin gefangen genommen und ins Abschiebegefängnis Rotterdam gebracht - da sitzt sie nun schon 2 Monate. Rechtlich gesehen dürfte sie das gar nicht. Doch wer interessiert sich schon für das Recht der (beinah) Rechtlosen?
Jedenfalls hat mich das nicht, wie beim ersten Mal, total aus der Bahn geworfen. Komisch, wie schnell man sich an diese Dinge gewöhnt, bzw. gewöhnen muss. Mit meinem Kollegen habe ich sie also letzten Mittwoch besucht. Für Besuche ist dieses Gefängnis eindeutig nicht ausgerichtet. Es ist mit dem öffentlichen Verkehr kaum zu erreichen, ab dem Rotterdamer Flughafen muss man selber schauen, wie man zu diesem abgelegenen, riesigen, schwarzen Zellenkomplex kommt. Und wenn ich riesig sage, meine ich riesig - kein Vergleich zu Schiphol!


Das neue, moderne Gebäude bietet Platz für rund 500 Gefangene. Technik und Ausstattung auf dem neuesten Stand, überflutet mit Sicherheitskräften, penibel sauber. Nach einer vergleichbaren Sicherheitskontrollen-Prozedur wie in Schiphol kamen wir in den Besuchsraum. Hier sind Gefangene und Besucher durch eine architektonische Meisterleistung voneinander getrennt, man sitzt auf festgeschraubten Metallhockern.
Eine Stunde konnten wir dann mit ihr reden, unter den Augen der kaum 3 Meter entfernten Security, die alles mithören konnten, wenn sie wollten. 
Es war gut, sie zu sehen. Zu sehen, dass sie stark ist. Ich denke, ich werde sie auch noch einmal besuchen. Aber vielleicht sollte ich auch noch einmal über die Worte einer anderen Haubewohnerin nachdenken: "You're spending way too much time in prisons, don't you think so?"
Ja, possibly. Auf der anderen Seite ist das doch das Einzige, was ich in dieser Hinsicht tun kann. Warum man jedoch so ein großes Gebäude - das eindeutig für längeren Aufenthalt von Gefangenen ausgerichtet ist - nur für Menschen baut, die man eigentlich sowieso nicht da haben will, muss mir nochmal jemand erklären. Die bizarre Immigrationspolitik der Niederlande kommt hier jedenfalls deutlich zum Ausdruck.

Happy End 
Am Samstag waren wir bei einer ehemaligen Bewohnerin auf Besuch in Utrecht. Sie hat mit ihrem 1jährigen Sohn eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen und jetzt auch ein eigenes Haus gefunden und bezogen. Sie hat den Kampf, nach 6 Jahren in den Niederlanden, endlich gewonnen. Es ist so gut, auch mal das Happy End einer Geschichte zu sehen und mitzuerleben. Ganz nebenbei habe ich 4 kleine Geschenke aus meiner Sinterklaas-Überraschung für sie, im Haus wiederentdeckt. Ich scheine also ihren Geschmack getroffen zu haben, yay! :) (siehe Blogeintrag über Sinterklaas)

Niederländisch vs. Spanisch
Mit der Ankunft unserer Dominikanerin wurde mein Spanisch wieder gefordert. Ha, denkste! Niederländisch vs. Spanisch - 1:0. Da lernt man eine Sprache 5 Jahre lang, beendet das ganze mit einer guten Abitursklausur und jetzt wo's darauf ankommt, herrscht in meinem Hirn nur noch eins:  Niederländisch. Ich hab mich schon selber ausgelacht, bei dem Gedanken daran, wie lächerlich sich mein Sprachmix mit deutlichem Hang zum  Niederländisch für unseren neuen Gast wohl anhören musste. Mein Englisch ist wohl auch etwas abgestumpft, aber diese beiden Sprachen können in meinem Hirn einfach nicht koexistieren. Es erfordert echt Höchstleistung und noch deutlich mehr Training, Spanisch in meinem deutschen Hirn ins Niederländische zu übersetzen. Jetzt, nach einer Woche, kommt mein Spanisch langsam wieder, nur bin ich jetzt leider wieder auf der verzweifelten Suche nach meinem Niederländisch-Wortschatz. Zum heulen ist das. Dennoch dient es der allgemeinen Belustigung, wenn ich irgendwann sprachtechnisch so durch den Wind bin, dass ich mit meinen Kollegen Englisch, unserer Dominikanerin Deutsch, den Äthiopiern Niederländisch rede, und mich dann selber später frage, wie man jetzt eigentlich afwasbak auf Deutsch sagt (Ich weiß es übrigens immer noch nicht.)

Mittendrin
Außerdem kommt jetzt mit dem vollen Haus auch wieder mehr neue Arbeit auf mich zu. Darüber hinaus habe ich die Möglichkeit, mehr Ideen zu verwirklichen und wirklich intensiv mit den Bewohnern zu arbeiten, z.B. Stellensuchanzigen zu verfassen oder mit ihnen den Sprachlerncomputer der Bibliothek auszuprobieren. Außerdem habe ich unsere Dominikanerin mangels Kollegen ganz alleine instruiert. Sprich, ich kann nun wirklich behaupten, es läuft und mir bieten sich nun viele Möglichkeiten, intensiv mit den Bewohnern zu arbeiten und Ideen zu verwirklichen. Und mit dem kommenden warmen Wetter kanns nur noch besser werden.
Im Moment ist hier aber ein Sturm schon den dritten Tag am wüten, von dem selbst die windgewöhnten Niederländer bemerken mussten: "Ordentliches Lüftchen!". Dieses Lüftchen haut mir mit aller Regelmäßigkeit beim Fahrradfahren meinen Mantelkragen ins Gesicht, ohne dass ich da irgendwie was dran ändern könnte, und weht 1jährige schon mal einfach so von den Füßen. Meine Sehnsucht nach Frühling und Sommer wird größer.

Halbzeit
Aber damit auch meine Unruhe, wenn ich daran denke, dass schon fast die Hälfte meines Freiwilligendienstes vorbei ist. Wenn ich daran denke, dass ich hier in einem halben Jahr einfach so weg soll, wird mir ehrlich schlecht. Sechs Monate, was ist das schon? Die vergangenen sind nur so an mir vorbei geflogen und kaum fühlt man sich echt angekommen, muss man sich schon wieder fast aufs Gehen vorbeireiten. Eins steht für mich jetzt schon fest, ein Jahr ist zu kurz. 
Nur wirklich was dagegen machen kann ich nicht, während in diesen Wochen meine Nachfolgerin ausgewählt wird. 
Aber noch sind es ja sieben Monate und ich werde versuchen, nicht zu sehr an den Abschied zu denken. 
Dennoch spiele ich mit dem Gedanken, hier in den Niederlanden zu studieren.
Que será, será. We zullen zien. 

3 Kommentare:

  1. Jaja/OlaOla. Een half jaar alweer! Ik zal nog eens kijken naar die ene opleiding.

    AntwortenLöschen
  2. Außerdem habe ich unsere Dominikanerinkanns nur noch besser werden.
    ??? :D

    :* Elschi-Belschi :)

    AntwortenLöschen
  3. ohje, da hab ich wohl beim ändern n paar Sätze gelöscht. :/

    AntwortenLöschen